Tatü Tata – oder wie kommen wir ohne Herrschaft aus?

Herrschaftslos, wie soll das gehen? Wohin mit Straftäter*Innen?

Ein Thema, welches viele Fragen aufwirft im Gespräch mit Menschen, die sich mit der Idee ohne Herrschaft zu leben, noch nicht auseinandergesetzt haben.

Wer eine Straftat begeht, soll dafür auch büßen.
– Straftat  – büßen
Starke Worte, jedoch äußerst übliche Worte.

Büße etymologisch: reuevolle Umkehr zu Gott, Geldstrafe, Wiedergutmachung.
Strafen etymologisch: züchtigen, wegen begangener Delikte zur Rechenschaft ziehen.
Alles an diesen Begriffen klingt abenteuerlich.

Wir haben als Gesellschaft das System der vertikalen Gerechtigkeit eingeführt. Wir be’strafen‘ ‚gerecht und verdient‚ direkt von oben. Menschen ‚büßen‘ ihre Taten auf Anordnung von oben. Mit dem Gewaltmonopol und der Umsetzung von Strafen direkt vom Staat legitimiert.

Der Staat mit dem Monopol auf ‚Gerechtigkeit‘ hat durch die Gesetze festgelegt, was strafbar ist. Darauf basierend außerdem: Wie, wann und wer zum Straftäter wird. Und auch welche Strafe für was ausgesprochen und verhängt wird.

Hiermit ist klar, es gibt keinerlei Spielräume. Alle beteiligten Menschen in einem ‚Konflikt‘ welcher Art auch immer, haben also von Anfang an gar nicht mehr die Möglichkeit in Beziehung zu gehen, persönliche oder auch soziale Uneinigkeiten oder Spannungen zu begreifen, einzuordnen, Lösungen zu suchen und umzusetzen.

Jegliche Selbstbestimmung ist komplett ausradiert. Die Möglichkeit in Gemeinschaften zu agieren und zu entscheiden ist nicht mehr existent.
Soziale Interaktion ist aber immens wichtig, um nicht stumpf Aktion & Reaktion (in diesem Fall Straftat – Strafe) zu erleben, sondern um die Konsequenzen im menschlichen Bereich zu spüren. Konflikte und deren Entwicklungen zu spüren. Einstellungen und Sichtweisen kennenzulernen. Einschätzen zu lernen. Sich auf sich und auf andere in gewisser Weise auch verlassen zu können. Herauszufinden, wo ein Konflikt entstanden ist, wieso er aufgekommen ist. Und dann vor allem schauen, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt, diesen Konflikt zu bereinigen. Und zwar nachhaltig.
Denn hier kommt nun der eigentliche Kern des ganzen Straf-, und Ordnungssystems wie es heutzutage vorherrscht.

Einen Menschen wegen einer Straftat zu belangen, ihn oder sie z.b. im schlimmsten Fall sogar wegzusperren, ändert ja tatsächlich rein gar nichts an der Situatio,n die die Person in diese Lage gebracht hat. Noch wird sie für die Zukunft etwas ändern können. Eher das Gegenteil wird der Fall sein, durch eine ‚Vorstrafe‘ und den damit einhergehenden verschiedenen Problemen, finanzieller Art, aber auch was das finden einer Wohnung oder einem Job angeht. Familiäre Bindungen werden eventuell gekappt, Freundschaften entzweit, soziale Verbindungen geschwächt.

Genau das jedoch ist doch kontraproduktiv. Ohne Umfeld und Bindung, allein auf weiter Flur, mit unzähligen Problemen, die sich durch Strafe ergeben, wird das Leben noch schwieriger und damit die Menschen auch anfälliger weitere ‚Straftaten‘ (nach dem gelten Gesetz) zu begehen. Folglich noch weiter in die Abwärtsspirale! hineinzugeraten.

Wenn wir jedoch auf ein Konzept zurückgreifen könnten, was auf Gemeinschaft und Selbstbestimmung basiert, könnte es uns gelingen eine Art ’sicheres Netz‘ für Alle zu weben. Gemeinschaftsverantwortung die darauf abzielt, Sicherheit und Gerechtigkeit herzustellen, ohne dabei auf Gefängnisse, Gerichte oder Polizei zurückzugreifen. Stattdessen bilden Menschen eine Gruppe, oder Gruppen (z.B. die Freund*innen, Nachbarschaften oder auch andere Bezugsgruppen) die füreinander da sind.
Community accountability ist ein Begriff der in dem Zusammenhang oft Erwähnung findet. Es könnte als „Konzept der Gemeinschaftsverantwortung“ übersetzt werden.

Aber auch das ’sich bewusstmachen‘, dass alle Menschen ohne, z.B. der Polizei, auskommen können ist wichtig. Stattdessen unter Freunden oder Bezugsmenschen Pläne schmieden, wie Mensch sich untereinander verhält, sich gegenseitig schützt und stützt.
Auch können Menschen öfter mal fragen, ob andere o.k. sind, wenn was beobachtet wird. Schlicht und ergreifend, aufeinander achtgeben! Selbstorganisiert und ganz selbstverständlich.

Ist es denn nicht hundertmal besser zu wissen, es sind überall Leute, die achtgeben und aufmerksam sind? Denen es vor allem daran liegt, dass Dinge ‚gut‘ für die Menschen sind und es auch bleiben. Als im Falle von Übergriffen, sich dem beängstigenden Bürokratieakt einer Anzeige oder ähnlichem aussetzen zu müssen. (Von der Art und Weise wie einem in diesen Behörden dann entgegengetreten wird, ganz zu schweigen)

In der Realität ist es doch auch so, dass die Polizei, oder andere ausführende Organe dazu da sind Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten und auch Eigentum von Besitzenden zu sichern. Woher der Begriff Freund und Helfer kommt, bleibt wohl für immer das Geheimnis in Märchenbüchern.

Für Menschen die kein zu Hause haben, Menschen die für Substitute oder den Lebensunterhalt ihren Körper verkaufen müssen, BpoC oder auch Menschen, wie z.B. Asylsuchende, ist es sowieso oft keine Option, die Polizei zu rufen. Die Aufmerksamkeit, die Ihnen dann zuteil wird, kann im schlimmsten Falle für sie sogar tödlich enden. Auf alle Fälle aber meist großen Ärger bedeuten.

Für eine straf-, und repressionsfreie Gesellschaft sind viele Änderungen notwendig. Vor allem im Denken und Empfinden der Gesellschaft.
Jeder und jede müsste ein Gespür dafür haben dürfen (!) seine oder ihre Umgebung und die Menschen darin besser zu beobachten. Dadurch, dass durch Institutionen alles scheinbar geregelt ist, halten sich die Menschen aus allem heraus. Wenn etwas ‚beobachtet‘ wird, soll Mensch die Polizei rufen. Die Verantwortung wird un-hinterfragt abgegeben.
Würden wir jedoch alle diese Achtsamkeit kollektiv nutzen und uns gegenseitig unterstützen, ein Gefühl der Sicherheit zu kreieren, indem sich alle wiederfinden können wäre das nachhaltiger.

Auch ist es sinnvoller ‚Taten‘ die geschehen, zu hinterfragen und zu schauen, warum sie passiert sind. Welche Umstände und Konstellationen dazu geführt haben und diese dann daraufhin ändern. Dadurch die ‚Tat‘-Ursachen beheben und sie für die Zukunft abkömmlich zu machen. Statt stumpfsinnig auf festgelegte Zeiträume wegzusperren und damit im Grunde nichts zu verbessern.

Besser ist es doch als Gemeinschaft handlungsfähig zu sein, soziale Beziehungen stärken, sodass ‚Taten‘ gar nicht erst passieren.
Vielleicht auch gerade weil dann die ‚Lebensumstände‘ einen oder eine dann gar nicht mehr dazu treiben. Oder aber auch, weil Mensch durch dieses Zugehörigkeits-, und Gemeinschaftsgefühl seinen Mitmenschen gar nichts mehr ‚anhaben‘ möchte.
Personen die anderen Gewalt antun, in welcher Art auch immer, werden dies nicht plötzlich lassen, weil sie eine Weile im Gefängnis waren. Es muss also anders gehen. Und es kann anders gehen.

Auch hierzu ist es wichtig uns zusammenzuschließen um gemeinsam und nachhaltig zu agieren.

Von daher, lasst uns alle aufeinander achtgeben. Lasst uns Strukturen schaffen, in denen Sicherheit von uns allen wie eine schützende Hand ausstrahlt. In der Menschen wissen, dass sie aufgefangen und gestützt werden. Aufgebaut und mitgetragen werden. So schaffen wir es, herrschaftsfrei zu leben.

Dies ist nur eine kleine Gedankensammlung. Zu dem Thema gibt es sehr viele Abhandlungen und viel Informationen. Transformative Gerechtigkeit ist ein wichtiger Begriff in dem Zusammenhang.